„Verlassene Werke“ als deutsches Nachkriegspanorama und aufrichtiges Zeitdokument

Die Reihe der Herbstlesungen des St. Ingberter Literaturforums startete mit einer Kooperationsveranstaltung unter dem Titel „Verlassene Werke“. Marie Wiedmann von der Konrad-Adenauer-Stiftung Saar hatte neben dem Berliner Autor Bernd Wagner für die musikalische Umrahmung der Lesung auch den Gitarristen Robin Weisgerber und den Geiger Wolfgang Wehner mitgebracht. So fanden, wie im Programm angekündigt, Jazz und Poesie trefflich zusammen.
Was sind “Verlassene Werke“? Bernd Wagner versteht darunter seine intime Autobiographie als Schriftsteller. Über fast ein Viertel Jahrhundert von 1976 bis zur Wendezeit 1989 notierte er Gedanken, Träume, Beobachtungen, literarische Einfälle und Aphorismen. Als vielversprechender Jungautor zog der gelernte Maurer und spätere Lehrer für Deutsch und Kunsterziehung aus der sächsischen Provinz nach Ostberlin um und erhielt die höheren Weihen der offiziellen DDR-Kulturszene. Der Konflikt mit der Staatssicherheit mündete schließlich 1985 in Wagners Ausbürgerung, doch er setzte seinen schriftstellerischen Parcours unbeirrt fort. Dieser illustriert Wagners immer kritische, manchmal mokante Auseinandersetzung mit der ihn umgebenden Wirklichkeit in Ost- und Westdeutschland.

Foto: Sonja Colling-Bost
Bernd Wagner und Jürgen Bost

Die mit dem in der St. Ingberter Stadtbücherei vorgestellten Band realisierte Anerkennung als literarischer Chronist und kritischer Zeitzeuge ließ lange auf sich warten. Mit einer gelungenen Auswahl von Textauszügen belegte Bernd Wagner eindrucksvoll, wie wichtig es ist, dem Reden und Schreiben gegenüber dem verordneten Schweigen und Verbergen zu ihrem Recht zu verhelfen. In dem von Jürgen Bost moderierten Publikumsgespräch ging es vor allem um das Alltagsleben in der DDR und die Rolle von Oppositionsliteratur. Viele Fragen wurden gestellt und auch offen beantwortet.
Zum Abschluss der Veranstaltung dankte ILF-Sprecher Jürgen Bost dem Auditorium für das gezeigte große Interesse an Leben und Werk des Autors und kündigte als nächste Veranstaltungen eine Soiree unter dem Titel „Literatur von Frauen in der Weimarer Republik“ (5. Oktober), einen Krimiabend mit dem Bestsellerautor Benjamin Cors (16. November) sowie eine Autorenbegegnung mit der Münchner Schriftstellerin Dagmar Leupold an (30. November), deren aktueller Titel „Dagegen die Elefanten“ kürzlich für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde.

von links: Wiedmann, (Bost), Wehner, Wagner, Weisgerber

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