George Sand und die Spielarten der Liebe

Ein großer Zuhörerkreis folgte auf Einladung des St. Ingberter Literaturforums (ILF) gespannt der Lesung mit Daphne Schmelzer. Die aus Den Haag stammende Wahl—St. Ingberterin stellte in der Stadtbücherei ihre kenntnisreiche und detailtreue Biografie der französischen Autorin und Frauenrechtlerin George Sand vor, die unter dem Titel „Rebellion und Liebe — Das Leben der George Sand“ erschienen ist. Sie konzentrierte sich in ihrem lebhaft durch Mimik und Gestik unterstützten Vortrag dabei rigoros auf deren Kindheit und Jugend. „Sie vernehmen heute Abend weder einen Lobgesang auf eine Galionsfigur des Feminismus noch assistieren Sie der Demaskierung einer kettenrauchenden Nymphomanin“, stimmte sie ihr Auditorium ein.

Foto: Sonja Colling-Bost
Jürgen Bost und Daphne Schmelzer

George Sand war wohl die erste Frau, die in der Öffentlichkeit Männerkleider trug, Pfeifen und Zigarren rauchte. Denn sie „wollte soweit Mann sein, dass ich in Bereiche und Milieus eindringen konnte, die mir als Frau verschlossen waren”, zitiert Daphne Schmelzer aus den Lebenserinnerungen ihrer Protagonistin. Diese machte ihre Liebschaften öffentlich, und das zu einer Zeit, als für Frauen auf Ehebruch noch Zuchthaus stand. Auf der Grundlage der umfangreich überlieferten Korrespondenz („Ich habe viel Klatsch und Tratsch studieren müssen“) entstand so ein faktenreiches Kompendium, das den Zeitgeist unseres Nachbarlandes von der französischen Romantik bis in die Epoche der Dritten Republik reflektiert.
George Sand schaffte den Ausbruch aus einer chaotisch lieblosen Frühehe („meine zweite Geburt“) und ging nach Paris, wo sie sich zu einer äußerst erfolgreichen Schriftstellerin entwickelte, berühmt und berüchtigt und umstritten. So titulierte Friedrich Nietzsche sie als „Milchkuh mit schönem Stil“, wohingegen sie für André Maurois „die Stimme der Frau in einer Zeit war, da die Frau schwieg“.
In Worten und Taten predigte die junge Provinzlerin aus dem Berry die leidenschaftliche Liebe und sprach sich heftig gegen die Einengung durch die Institution der Ehe aus. Ihre Liebesbeziehungen mit Alfred de Musset, Prosper Mérimée und besonders Frédéric Chopin sind legendär. Dem viel zitierten „Winter auf Mallorca“ hatte Hans-Guido Klinkner ein Gedicht gewidmet, das aus Anlass der Lesung von Jürgen Bost vorgetragen wurde.
Der ILF-Sprecher referierte auch über George Sands weitere Lebensstationen: Nach ihren romantischen Anfängen engagierte sie sich über den Kampf um Frauenrechte hinaus leidenschaftlich für eine umfassende gesellschaftliche Revolution und zog sich nach Niederschlagung des Aufstandes enttäuscht auf ihr Gut nach Nohant zurück. Dort führte sie bis zu ihrem Tod ein zurückgezogenes Leben. „Ich habe bei ihrem Begräbnis geweint wie ein Kind”, schrieb Flaubert an Turgenjew. „Arme, liebe große Frau! … Stets wird sie eine der Größten und eine einzigartige Zierde Frankreichs sein.“
Im Präsensbestand der Stadtbücherei sind übrigens einige ihrer Romane auszuleihen und vielleicht eine spannende Überbrückung der Winterpause des St. Ingberter Literaturforums, das auch im kommenden Jahr 2019 sicher wieder ein vielgestaltiges Angebot an Lesungen und Autorenbegegnungen präsentieren wird.

Foto: Sonja Colling-Bost
Jürgen Bost und Daphne Schmelzer

(Pressemitteilung ILF St. Ingbert)

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