Mundartkönner und Wortjongleure

Immer wieder mussten weitere Stühle aufgestellt werden, so groß war der Besucheransturm bei der jüngsten Veranstaltung des St. Ingberter Literaturforums in der Stadtbücherei. ILF-Sprecher Jürgen Bost hatte für diesen Abend den Titel “Mundartkönner und Wortjongleure” ausgesucht. Für die St. Ingberter Autoren Manfred Kelleter, F. Peter Wilhelm und Albrecht Zutter, die dem Literaturforum seit vielen Jahren auf das engste verbunden sind, war der Auftritt ein Heimspiel vor vertrautem Publikum. Doch auch die eingeladenen Gäste, Esther Dewes aus Marpingen und Axel Kerber aus Quierschied, beide mit persönlichem Bezug zur Kulturstadt St. Ingbert, verstanden sich darauf, die Zuhörer zu begeistern und waren wohl  nicht zum letzten Mal Akteure vor diesem Kreis literarisch Interessierter.

Foto: Sonja Colling-Bost
v. l. Kerber, Dewes (die Gäste)

Albrecht Zutter, der den ersten Teil des Abends moderierte, übergab das Mikrofon zunächst an Manfred Kelleter, der sich sofort mit dem Titel   “Wortjongleur” identifizieren konnte, befindet er sich doch immer auf der Suche nach geeigneten Worten, die ihm dann auf seinen Spaziergängen auch tatsächlich zufliegen. “Die Zeit der Wunder froh genießen beim Wandern über Berg und Tal” war sein Motto für die Vorstellung aktueller Frühlingsgedichte aus seiner Feder, die niemand im Saal unberührt ließen. Einfühlsame Lyrik mit bisweilen leicht ironischem Einschlag in Mundart wie auch in der Hochsprache sind sein Metier. Kelleter findet die für seine ihm eigene Schaffensweise erforderliche Inspiration auch immer in seiner Heimatstadt St. Ingbert und deren reizvoller Umgebung: „Ich hatte einfach das große Glück, hier zu Welt zu kommen“, offenbarte er dem andächtig lauschenden Publikum.

Foto: Sonja Colling-Bost
v. l. Kelleter, Zutter, Wirth (St. Ingberter Autoren)

Ganz anders ist der Ansatz F. Peter Wilhelms. Seit Jahrzehnten dem St. Ingberter Kulturleben eng verbunden, gestaltet er sowohl Belletristik in der Form von Gedichten und Geschichten als auch Sachtexte. Er hatte für diesen Abend hochsprachliche Variationen über die Irrungen und Wirrungen des alltäglichen Lebens ausgewählt und trug unter anderem einen höchst vergnüglichen fiktiven Briefwechsel zwischen mehreren Partnern vor, wobei die Vertauschung der Anschrift jeweils zu äußerst erheiternden Missverständnissen führte. Doch auch das Haiku, jene traditionelle japanische Textgestaltung, die heute weltweit verbreitet ist und als die kürzeste Gedichtform der Welt gilt, wird von ihm subtil beherrscht.

Albrecht Zutter selbst, seines Zeichens Pädagoge, Autor, Verlagsgründer, Kabarettist und Drehbuchautor, schloss mit seinem Vortrag den ersten Teil des Abends. Er trug Miniaturen und Notizen aus dem Alltag vor, die vom Menschenleben ebenso handeln wie von der Tierwelt. St. Ingberter Straßencafes und Gartenlokale spielten darin ebenso eine große Rolle wie die umwerfend komische und durchaus realistische Würdigung der Schullaufbahn des Julian B., die die Überforderung und ideologische Überhöhung des deutschen Bildungswesens trefflich karikiert. Auch Zutter liebt den Aphorismus und versteht sich glänzend darauf, besondere Einsichten rhetorisch kunstreich als allgemeinen Sinnspruch darzustellen.

Foto: Sonja Colling-Bost
v. l. Bost mit Dewes, Kelleter, Zutter, Wilhelm, Kerber (beim Schlussapplaus)

Dann kam die Stunde der Gäste. Esther Dewes präsentierte sich stolz als „Sengschder Mäde“ und ließ eine Liebeserklärung an ihre alte Heimat folgen. Sie beschrieb ein morgendliches Erwachen ebenso wie den Stiefeler Wald und seinen Sagenschatz und lobte das Land der sanften Rundungen und sympathischen Menschen mit ihren kleinen „Mäckelchen“. Nicht fehlen durfte ihr beim Saarländischen Mundartwettbewerb des SR 2017 preisgekrönter Lyriktext „Faschd hädd mer’s nedd gemerkd. Ebbes es annerschd woohr.“
Axel Kerber, als Kriegskind in Saarbrücken geboren, verbrachte seine Kindheit in Rentrisch, wo er auch eingeschult wurde und zur Kommunion ging. Er ehrte den im Auditorium anwesenden Autor Hans Guido Klinker durch Mundartversionen seiner bekanntesten Gedichte und gestaltete überlieferte Aesopsche Fabeln versiert in rheinfränkischer Mundart. Lustige Episoden über Drachensteigen aus wertlosen Aktien und Autoschlangen zur Heilig-Rock- Wallfahrt in Trier rundeten seine Darbietungen ab. Den Schlussakzent setzte Lothar Drexler, der auf seiner Mundharmonika mit souveräner Könnerschaft die „Letzte Rose“ intonierte und damit für den musikalischen Ausklang eines sehr inspirierenden Literaturabends sorgte.
Zum Abschluss der Veranstaltung danke Jürgen Bost allen Akteuren und kündigte als nächste ILF-Veranstaltung für Donnerstag, den 24. Mai 2018, 19.30 Uhr eine Lesung mit dem in St. Ingbert geborenen ZEIT-Kolumnisten Matthias Stolz an. Der Erfinder der „Deutschlandkarte“ und des Begriffs „Generation Praktikum“ schreibt auch lustige Gesellschaftskritiken. Er stellt in der Lesung seinen aktuellen Titel „Eine alte Frau ist doch kein WLAN – die kuriosen Briefe von Oma Mathilde“ vor. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei.

(Pressemitteilung ILF St. Ingbert)

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